Vorbereitung auf die Klausur zum 1. Staatsexamen
Aufbau einer Karteninterpretationsklausur:
Die nachfolgenden (wichtigsten) Darstellungsmöglichkeiten sind dem Buch: Hagel, J. (1998): Geographische Interpretation topographischer Karten. Stuttgart, Leipzig (=Teubner Studienbücher der Geographie, S.128-129) entnommen.
länderkundliches Schema:
"Das länderkundliche Schema behandelt
alle Geofaktoren nach dem Prinzip: das Grundlegende vor dem Veränderlichen
und vor dem, was sich aus ihm ergibt. Das führt zu der Reihenfolge
Relief - Klima - Gewässer - Vegetation - Siedlungen - Wirtschaft -
Verkehr, zu einer Abfolge also", wie sie dem Anfänger für die
Analyse zu empfehlen ist. "Sie garantiert, daß man alle Faktoren
gleichmäßig berücksichtigt. Man hüte sich aber vor
einem zu weit gehenden Determinismus!
Merke: Als Methode der Analyse
anwendbar, ist das länderkundliche Schema für die Darstellung
wenig geeignet, weil zu oft Rückbezüge auf bereits Gesagtes genommen
werden müssen und Zusammenhänge nicht deutlich genug herausgearbeitet
werden können - es sei denn, man löst sich vom Schema. Anwendbar
ist es allenfalls bei schwach strukturierten Räumen."
[Für die Klausur werden in
der Regel Kartenblätter oder Luftbilder, die einen stark charakteristischen
bzw. deutlich strukturierten Raum darstellen, verwendet. Daher ist das
länderkundliche Schema für die Klausur ungeeignet]
dynamische Länderkunde:
"Die dynamische Länderkunde stellt
die Kräfte (Dynamen) und damit die Prozesse in den Vordergrund. Welche
Kräfte haben die Struktur eines Raumes bewirkt? Dabei gelten an sich
inaktive Naturfaktoren ebenso als Kräfte, wenn sie den Menschen zu
einer Aktivität herausfordern (z. B. Klima, Bodenschätze), wie
beispielsweise eine Bevölkerungszunahme, die Aktivitäten auslöst.
Eine feste Abfolge gibt es nicht, im Vordergrund stehen die wichtigen Kräfte,
das Individuelle wird betont. Allerdings sind die Kräfte in der TK
allenfalls bedingt ablesbar und nur aus der Kenntnis abzuleiten. Überdies
besteht die Gefahr, daß die Darstellung ungleichgewichtig wird, weil
man in der TK nicht alle Kräfte hinreichend erkennt und sich deshalb
zu sehr auf den gegenwärtigen Zustand beschränkt."
dynamische Länderkunde nach
Dominanten:
"Gut geeignet erscheint der Weg, von
der dynamischen Länderkunde ausgehend Dominanten herauszustellen:
Was war und ist für den zu besprechenden Raum bzw. die Teilräume
wesentlich und warum? Unwichtiges kann dabei durchaus übergangen,
Prozesse und Gesamt-Dynamik können durchaus angesprochen werden."
(z. B. Blatt 6013 Bingen TK 25,
dominanter Faktor: Eintritt des Rheins in Rheinisches Schiefergebirge.
"Unter diesem Aspekt lassen sich verbinden: Gebirge und Antezedenz, tektonischer
Graben und Schollen, Verlauf der Flüsse, mehrere Flußterrassen
in verschiedenen Höhenlagen, also verschiedenen Alters, Quarzriegel
und Änderung von Breite und Gefälle von Rhein und Nahe, Siedlungsgunst
und -ungunst, Maßnahmen für die Schiffahrt, Klimagunst und -ungunst
(Verbreitung von Wald und Weinbau), touristische Attraktionen usw.")
historisch-genetische Darstellung:
"Ebenfalls von der dynamischen Länderkunde
ableitbar ist eine historisch-genetische Darstellung. Sie wählt die
Zeit als Maßstab und stellt dar, zu welchen Zeiten und warum welche
strukturellen und funktionalen Veränderungen in dem zu behandelnden
Raum bis hin zur Gegenwart erfolgt sind. Es handelt sich also um eine historisch
orientierte, Prozesse in den Vordergrund rückende Darstellung, die
versucht, aus der Karte heraus die jeweils erfolgten und noch erfolgenden
Veränderungen zu begründen und damit den gegenwärtigen Zustand
genetisch zu erklären."
(z. B. Blatt L 7936 Grafing bei
München. "Ausgehend von der Prägung durch Eis (Landschaftsformen,
Bodenverhältnisse) wäre auf die sich daraus ergebende Besiedlung,
Waldverteilung und Verkehrsentwicklung (Verlauf der Hauptverkehrswege)
einzugehen und abschließend das Wachstum der Großstadt München
und deren Ausstrahlung ins Umland (gegenwärtige Struktur und Dynamik)
darzustellen")
Kombination der genannten Vorgehensweisen (ein Vorschlag von mir):
Mit dem nachfolgenden Beispiel möchte
ich eine von mir entwickelte logische Gliederungsart einer Karten- und
Luftbildinterpretationsklausur zur Diskussion stellen.
Die Bearbeitung eines speziellen Kartenblattes
oder Luftbildes erfordert, daß die Gliederung den jeweiligen Spezifika
angepaßt wird. Man stellt sehr schnell fest, daß bei der Vorgehensweise
nach untenstehendem Muster die Zeit von 5 h reichlich knapp ist. Daher
ist es ratsam bei der Bearbeitung der Klausur, die Fragestellung gezielt
zu beachten und gegebenfalls Teile wegzulassen. Bei meiner 1.Staatsexamensklausur
war z.B. das Blatt Donaueschingen vorgegeben, daß unter besonderer
Berücksichtigung der Talformen und ihrer Genese zu bearbeiten war.
Dementsprechend habe ich den Schwerpunkt im Hauptteil auf den Punkt 1 (naturräumliche
Potentiale) gelegt. Ich habe mich insgesamt 4 h mit der Herausarbeitung
der naturräumlichen Potentiale und etwa 1 h mit der Kulturraumgenese
und der wirtschaftsräumlichen Situation des Kartenblattes beschäftigt.
Bei der kurzen Zeit, die mir für die Bearbeitung des Kulturraumes
zur Verfügung stand, ist klar, daß die Interpretation in dem
Bereich sehr lückenhaft geschehen mußte. Die Korrektoren rechneten
mir dies nicht negativ an.
So jetzt aber wie versprochen mein
Gliederungsvorschlag:
I) Einleitung:
1 Personalausweis der Karte
Kartentitel (Topographische Karte,
Blattname, Blattnummer), Maßstab, Herausgeber:
z.B.: Topographische Karte, Blatt
Münchberg, L XXXX, 1:50 000, Herausgegeben vom Landesvermessungsamt
Bayern.
2 großräumliche Einordnung
2.1 naturräumliche Einordnung
Großlandschaften und Landschaftstypen
(siehe Hagel (1998), Kap. 4.3) benennen:
z.B.: Das Blatt zeigt den Übergangsbereich
zwischen dem Alpenvorland und dem Süddutschen Schichtstufenland
oder: Das Blatt zeigt einen Ausschnitt der Norddeutschen Tiefebene;
begrenzende Landschaften benennnen:
z.B.: Der Blattausschnitt wird
begrenzt vom Taunus im Westen, o. ä.,
Dominanten benennen:
z.B.: Das Gebiet zeigt den typischen
Charakter einer Mittelgebirgslandschaft.
2.2 kulturräumliche Einordnung:
Verwaltungsgrenzen;
kulturräumliche Dominanten und
kulturräumliche Einheiten (siehe Hagel (1998), Kap. 4.5) benennen:
z.B.: Dargestellt ist ein polyzentrischer
Ballungsraum oder charakreristisch für das vorliegende Blatt sind
die zahlreichen in Gemengelage befindlichen Einzelhöfe oder im dargestellten
Blatt ist die Freiland-Wald-Verteilung auffällig.
3 Benennung der Art der Vorgehensweise:
z.B.: Die nachfolgende Auflistung
der Interpretationsergebnisse folgt der vortragenden Darstellungsweise.
II) Hauptteil:
1 naturräumliche Potentiale
Gliederung des Kartenblattes nach
Naturräumen:
Benennung der einzelnen Teilräume
z.B.: | I Rheintal
Ia Fluß und Auen Ib Niederterrasse II Schwarzwald IIa Vorbergzone IIb Mittelgebirge |
Einzelbetrachtung der Naturräume:
keine lückenlose Aufzählung
der naturräumlichen Elemente, sondern Dominanten benennen, vortragende
Darstellungsweise:
z.B.: I Die Münchberger Hochfläche:
Die Münchberger Hochfläche zeigt den typischen Charakter einer
Rumpfflächenlandschaft;
anschließend eingehen auf Abgrenzung
und Begründung: Merkmale benennen und mit Koordinaten versehen,
eingehen auf.: | Vegetation: Freiland-Wald-verteilung
Relief: Streichrichtung, Reliefenergie, Formenschatz, Höhenangaben, Singularitäten Gewässer: Gewässerdichte (relativ), Quellen, Quellhorizonte, Wasserscheiden, Flußanzapfungen Siedlungsdichte (relativ) Geologie Böden evt. Klima |
Bei Überleitung zum nächsten
Teilraum dominante Abgrenzungskriterien zwischen beiden Räumen benennen
z.B.: Im Vergleich zum Maintal
unterscheidet sich die Münchberger Hochfläche durch ...[Absatz]
II
Das Maintal:
naturräumliche Synthese:
dominante Merkmale zusammenfassen,
Beziehungen zwischen Teilräumen herstellen
2 kulturräumliche Ausstattung
2.1 genetische Betrachtung (Siedlungs-
bzw. Stadtgenese)
Gliederung des Kartenblattes nach
historisch genetischen Kriterien:
Benennung der einzelnen Teilräume:
z.B.: | I Altsiedelland
II Jungsiedelland III Stadt (evt noch weiter untergliedern in Altstadt, gründerzeitl. Erweiterung o.ä.) Entwicklungsrichtungen einzeichnen |
Betrachtung der Kulturlandschaftsgenese
in chronologischer Abfolge
a) vorgeschichtliche Relikte
b) Entwicklung im ländlichen
Raum:
chronologische Abhandlung nach Siedlungsepochen
(Landnahmezeit, Wüstungsperiode o.ä.)
eingehen auf.: | Lage (topographisch, geographisch)
Verteilung (Streu-, Schwarm-, Gruppensiedlungen) Siedlungsform (Haufen-, Platz-, lineare Dörfer) Einzelelemente (Gutshöfe, Schlösser, Burgen o. ä.) |
c) Entwicklung im städtischen
Raum
Entwicklungstyp benennen (Mutterstadt,
Gründungsstadt des Hochadels o. ä.)
chronologische Abhandlung nach Stadtentwicklungsphasen
(Frühmittelalter, Gründerzeit o.ä.)
eingehen auf.: | Lage (topographisch, geographisch)
Entwicklungsrichtung der Stadterweiterung Physiognomie, Struktur Funktion, Bedeutung der Stadt in jeweiliger Epoche Einzelelemente (Kirchen, Schlösser, Burgen o. ä.) |
Verflechtung zwischen Stadt- und
Umland in historischer Zeit
Markt, Handel, Verkehrsfunktion, später
Vergrößerung der städtischen Reichweite durch Eisenbahn
kulturraumgenetische Synthese:
zusammenfassende Darstellung der kulturräumlichen
Entwicklung des Kartenblattes
2.2 aktuelle wirtschaftsräumliche
Situation
Gliederung des Kartenblattes nach
Wirtschaftsräumen (funktional):
Benennung der einzelnen Teilräume:
z.B.: | I Stadt
Ia City Ib Cityerweiterungsgebiet Ic Wohngebiet Id Industrie- und Gewerbegebiet Ie Subzentren II Umland IIa näheres städt. Umland mit Pendlergemeinden IIb Peripherie Entwicklungsachsen einzeichnen |
bei Städten Einordnung in zentralörtliches
System (z.B.: Kleinstadt, Mittelstadt)
funktionaler Landschaftstyp (Fremdenverkehrslandschaft,
Industrieregion o.ä)
Betrachtung der wirtschaftsräumlichen Situation gegliedert nach Teilräumen:
eingehen auf.: | Lage
Physiognomie, Struktur (Anordnungsmuster z.B.: konzentrisch, fingerartig o.ä.) Funktion (bei City z.B.: Einzelhandel, Kultur, Verwaltung) bei Gewerbe- und Industriegebieten: Standortfaktoren benennen funktionale Gemeindetypen (Bauerndorf, Arbeiterbauerndorf) Entwicklungspotentiale Einzelelemente (Fabriken, Theater, Universität o. ä.) |
Stadt-Umland Beziehungen aufzeigen
wirtschaftsräumliche Synthese:
Entscheidung ob Aktiv- oder Passivraum,
Verdichtungs- oder ländlicher Raum
III) Schluß:
Zusammenfassung der kultur- und naturräumlichen
Determinanten (evt. Verbindungen kurz aufzeigen)
z.B.: Das Blatt Nürnberg zeigt
einen polyzentrischen Verdichtungsraum. Die Lage der Stadt am Fluß
sowie der Verlauf der Täler begünstigte die Entstehung eines
wichtigen Verkehrsknotenpunktes im Mittelalter. Nürnberg konnte sich
zum Handelszentrum entwickeln. (zusätzlich auf frühe Industrialisierung
oder andere ermittelte Dominanten eingehen).
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